Dünnes Eis!

Dünnes Eis!

Achtung! Corona! Dünnes Eis!

«Corona-Pandemie», Regime im Altersheim:

Eine sehr alte Frau, knapp ein Jahrhundert alt, sitzt im Rollstuhl; ihr Rücken ist gekrümmt, sie kann nur noch auf den Fussboden schauen; sie stützt sich auf, sichtbar angestrengt, um in die Kamera zu sprechen: «C’est pas la vie!» Sie dürfe ihre Angehörigen nicht mehr sehen. Eine  Angestellte, mit Maske, gibt zu Protokoll, die Frau esse nicht mehr: «Sie stirbt uns weg.» Sie zeigt sich glaubhaft besorgt.

Also: Dieser Mensch stirbt; denn er wird zwangs-isoliert, um ihn vor dem Sterben zu bewahren. Dieser Mensch soll vor einem Sterben geschützt werden, das jetzt eintreten könnte, nur könnte; aber geschützt, à tout prix, mit einem Schutz, den dieser Mensch nicht will.

Wollen wir so leben? Wollen wir so sterben? Ich nicht.
(Tagesschau SRF 1, 25. April 2020, Frankreich-Korrespondentin)

«Corona-Pandemie», Kontrolle am Schweizer Zoll:

Vater Maik Riedl, deutscher Staatsangehöriger, mit Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung in Bad Zurzach AG, Schweiz, soll eine 100-Franken-Busse bezahlen; er hat seine 10-jährige Tochter besucht, die zeitweise bei ihrer Mutter lebt, auf der deutschen Seite des Rheins. Sollte er sie auch zu ihrem anstehenden Geburtstag besuchen, würde sich die Strafe für Wiederholungstäter Riedl auf 300 Franken erhöhen.

«Die Zöllnerin hat gesagt, es sei verboten, mein Kind zu besuchen», berichtet Maik Riedl.

Mit der gleichen Strafe wird ein in Genf lebender Schweizer bedroht: er hatte seinen Schweizer Eltern mit Wohnsitz im grenznahen Frankreich Medikamente gebracht.
(srf.ch)

Schliesslich «drohten Schweizer Grenzbeamte einem Kreuzlinger Doppelbürger mit einer Busse von 100 Franken, sollte er erneut nach Konstanz fahren, um seine 82-jährige Mutter zu pflegen». (tagblatt.ch)

Das ist «kalt, unmenschlich und herzlos», sagt dazu der Sohn, Georg Klevenz.

Erst nach diversen Berichten in den Medien wird klar: Das Staatssekretariat für Migration und die Eidgenössische Zollverwaltung haben die «Corona-Vorschriften» des Bundesamts für Gesundheit unzulässig restriktiv angewendet: «Es ist für mich nicht nachvollziehbar, wie man dazu kommen kann, solche Grenzübertritte mit Bussen zu ahnden», sagt der Basler Staatsrechtsprofessor Markus Schefer.
(srf.ch)

«Corona-Pandemie», Soldaten gegen Asylsuchende:

Der Bundesrat, mit Justizministerin Karin Keller-Suter, hat verfügt: Asylsuchende, die die Grenze zur Schweiz erreicht haben, werden daran gehindert, Schweizer Hoheitsgebiet zu betreten; «wenn nötig» auch mit Waffengewalt; dazu ist die Schweizer Armee mobilisiert worden, die die regulären Grenzwächter mit bewaffneten Soldaten unterstützen soll.

Dazu sagt Eliane Engeler von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe: «Asylsuchende an der Grenze abzuweisen, ohne ihnen den Zugang zu einem Asylverfahren zu gewähren, verstösst gegen zwingendes Völkerrecht. Und es verstösst gegen die Dublin-Verordnung.» – «Die Schweiz muss diese Personen einreisen lassen und ein Dublin-Verfahren durchführen. Das Recht, um Asyl zu ersuchen, ist ein Grundrecht und gilt auch in Krisenzeiten.» Das deutsche Institut für Menschenrechte stützt die Position der Flüchtlingshilfe.
(Quelle: Sendung Rendez vous, SRF 1, 26. März 2020)

Also: Eben hatten wir noch Weihnachten(!) gefeiert, aber noch vor dem Osterfest(!) ist die Decke unserer Mitmenschlichkeit löchrig geworden, der Firnis unserer Zivilisation ist nicht mehr als eben das, Fassade, Schein, Tünche.
Dünn das Eis, auf dem wir Mitmenschen uns bewegen, schon bei nächstbester Gelegenheit brechen wir ein.

Wollen wir nicht lernen?

Dabei hatten wir uns doch vorgenommen, es besser zu machen.

«Das Boot ist voll» ist ein Spielfilm von Markus Imhoof, aus dem Jahr 1981, nach dem Buch von Alfred A. Häsler. Handlung: Sechs Personen gelingt 1942 während des Zweiten Weltkriegs die Flucht in die Schweiz, doch diese beschliesst im August eine Verschärfung ihrer Aufnahmebedingungen. Die aufgrund rassistischer Motive Verfolgten müssen, die politisch Verfolgten dürfen bleiben.

«Antigone» ist eine Tragödie des antiken griechischen Dichters Sophokles. Uraufführung in Athen, wahrscheinlich im Jahr 442 v. Chr. Antigone begräbt ihren im Kampf getöteten Bruder. Das hatte der König ausdrücklich verboten. Doch Antigone beruft sich auf die ungeschriebenen und unverrückbar geltenden Gesetze der Götter: Der Respekt vor dem Tod gebietet es, die Verstorbenen ordentlich zu bestatten.

Dazu gehört das Recht, so bestattet zu werden, wie es dem letzten Willen der Verstorbenen entspricht. Oder demjenigen der weiterlebenden Freunde, der Angehörigen.

Liegenlassen ist unmenschlich – und ebenso das Entsorgen der «Corona-Leichen», etwa in Italien oder in den USA, wie uns das übers TV ins Wohnzimmer geflimmert wird.  

Unmenschlich und unnötig sind schliesslich auch die durch Notrecht verfügten Restriktionen für Begräbnisse bei uns. Denn wir wissen, wie wir uns vor einer Infektion schützen könnten – anders als die Millionen, die ohne adäquate Kenntnisse dem Schwarzen Tod oder der «Spanischen Grippe» ausgeliefert waren.

Unmöglich ist Menschlichkeit nicht. 27. Oktober 1977: Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Jan-Carl Raspe werden in einem Gemeinschaftsgrab beigesetzt. Das war der letzte Wunsch der drei führenden Köpfe der «RAF»-Terrorgruppe. Dem hatte Stuttgarts Oberbürgermeister Manfred Rommel in der umstrittensten Entscheidung seines Lebens stattgegeben. Unbeirrbar, trotz zutiefst polarisierter Öffentlichkeit. «Wer Intoleranz mit Intoleranz beantwortet, handelt unethisch», war sein Credo. Mit dem Tod müsse alle Feindschaft ruhen.

Ich halte es für sinnlos, historische Vergleiche anzustellen. Denn anders als Karl Marx glaube ich nicht, dass sich Geschichte wiederholt. Aber die Geschichte hält Lektionen parat, die wir lernen könnten. Denn die Mechanismen, aufgrund derer wir uns angebliche Allheilmittel aufschwatzen lassen, weil wir Angst haben, weil wir uns nach einfachen, klaren Lösungen für immer komplexere Probleme sehnen; die Mechanismen, aufgrund derer wir den Vogel Strauss nachahmen oder Sündenböcke erfinden – diese Mechanismen funktionieren nach Strukturen; und diese sind identifizierbar. Gefahr erkannt – Gefahr gebannt. Freier, öffentlicher, informierter Diskurs dürfte am besten geeignet sein, uns vor blinder Wiederholung alter Fehler zu bewahren. Ich weiss jedenfalls nichts Besseres.

Kinder müssen eigene Erfahrungen machen können. Sonst lernen sie nicht. Aber wir Erwachsenen, wir könnten doch aus den Fehlern anderer Erwachsener lernen.

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Weitere Blogs habe ich zu folgenden Themen geplant, Anregungen eurerseits sind sehr willkommen!:

  • Warum das «Nie wieder!» hohl klingt. Und nicht funktioniert.
  • Das Paradox unseres Todes: Er ist das einzige zukünftige Ereignis, dessen Eintreffens wir gewiss sein können. Gleichzeitig wissen wir, mit Sicherheit, nichts darüber. Aber wir haben Angst davor. Wir könnten uns ja auch darauf freuen … Warum uns die High-tech-Medizin – Ersatzteillager für die Organe, Beseitigung vererbbarer Krankheiten und von «Defiziten» wie etwa des Down-Syndroms durch Gen-Technik, -Manipulation – schwächt, indem sie uns Krankheit und Tod als Unfall vorgaukelt, den wir, mit ein bisschen Geduld, auch noch in den Griff bekommen werden.

    Dagegen: «Das Bewusstsein unserer Sterblichkeit ist ein köstliches Geschenk – nicht die Sterblichkeit allein, die wir mit den Molchen teilen. Sondern unser Bewusstsein davon: das macht unser Leben erst menschlich. Und macht es zum Abenteuer.»   Max Frisch

    «Im Upanischad des Veda wird die natürliche Lebensdauer auf 100 Jahre angegeben. Ich glaube mit Recht, weil ich bemerkt habe, dass nur die, welche das 90. Jahr überschritten haben, der Euthanasie teilhaft werden, d. h. ohne alle Krankheit, auch ohne Apoplexie, ohne Zuckung, ohne Röcheln, ja bisweilen ohne zu erblassen, meistens sitzend, und zwar nach dem Essen, sterben oder vielmehr gar nicht sterben, sondern nur zu leben aufhören. In jedem früheren Alter stirbt man bloss an Krankheiten, also vorzeitig.» Arthur Schopenhauer

    «Niemand kennt den Tod, und niemand weiss, ob er für den Menschen nicht das allergrösste Glück ist.» Sokrates
    (gutzitiert.de/zitate_sprueche-tod)

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    Es klingelt an der Tür:
    «Guten Tag, ich bin der Tod, du musst mitkommen.»
    «Moment, ich muss noch rasch … »
    «Ich bin der Tod, du musst mitkommen.»
    «Aber ich will doch noch … »
    «Ich bin der Tod, du musst mitkommen.»
    «Aber kann ich nicht noch …»
    «Jetzt bist du tot.»
    ich)

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