Über mich – über mich?!

Über mich – über mich?!

Achtung:
Dies wird ein «long read», Lesedauer? nach Lust und Laune …
work in progress, dies ist erst ein Anfang;
© hab ich natürlich; doch Kopieren, Zitieren sind sehr willkommen, Dank an die Quelle auch, aber nicht Bedingung;
Feedback, ich bitte darum, ob öffentlich oder nicht-öffentlich: wir reden drüber;
Epilog? dafür ist es zu früh … )

«You never get a chance to make a first impression!»

«Über mich» … Ich hatte immer Angst zu versagen. Meine Defizite wurden mir früh attestiert. Die ersten «Aufsätze» in der SchuIe waren schnell erledigt, eine dreiviertel Seite, dann war alles geschrieben. «Dürftig!», war das Verdikt der Lehrerin, Frau Hiller; eigentlich eine gutmütige Person.  Anders Frau Hillers Kollegin, das sehr gestrenge «Fräulein Härtel». Einmal musste ich mit dem Fahrrad vor ihrem Auto einspuren, war aber einfach drauflos gefahren und jetzt musste ich mich vor der Klasse als verkehrstauglich beweisen: «Nun, Michael, welchen Arm streckst du heraus, wenn du links abbiegen möchtest?» Es kam, wie es kommen musste.

Trotzdem: Meine Mutter hielt unbeirrbar an ihrem Prestigeprojekt fest, ich sollte Abitur machen, und wie stolz war sie auf mich, als ich die Universität Zürich mit «lic.phil.I» verliess, da war ich aber schon 30, mein Adoptivvater hatte längst den «ewigen Studenten» an die Wand gemalt, weil ich, nach dem Abbruch des Theologiestudiums, das mich immerhin Altes und Neues Testament auf Hebräisch und auf Griechisch lesen lehrte, das Zweitstudium, Geschichte und Germanistik, selbst finanzieren musste; doch jetzt hatte ich genug von Schule und Lehrern, ich wollte endlich ins richtige Leben. So reichte es nicht mehr zu einer richtigen Berufsausbildung, und ich kämpfte mich mit learning on the job durch. Die Angst, nicht zu genügen, war immer dabei. Nein, nicht immer …

Es ging los als Korrektor bei der «Neuen Zürcher Zeitung», öde und wertvoll, als Journalist aber, beim Winterthurer «Landboten», da waren sie die Angst, der Druck, denn bald führte ich das Wirtschaftsressort, allein!, bis ich – mein Traum war wahr geworden – als Auslandkorrespondent in Sydney landete, Bondi Beach, am Pazifikstrand, Börsenkommentare schreibend für die «Finanz und Wirtschaft», ich, der verhinderte Pastor, vom anderen Ende der Welt konnte ich das kaschieren, denn «down under» war terra incognita; zurück in der Schweiz kämpfte ich als freier Journalist, zu viel zum Sterben, zu wenig zum Leben, bis ich mich eines Tages als Leitender Redaktor des «Schweizer Holzbau» wiederfand, wo ich eine Woche vor meinem 50.Geburtstag entlassen wurde, ich hatte, natürlich, einen Machtkampf mit meinem Chef verloren; dann kam meine Zeit – I am a lover oft the written word – als Texter, und, wieder einmal, kaschierter Arbeitsloser, einmal gelang es mir sogar, am Geschäftsbericht von Novartis mitarbeiten zu können, aber natürlich gab`s Streit, weil ich in Hierarchien fehl am Platz bin, wobei mich das exorbitante Honorar von 27’000 Franken tröstete – bis ein Jahr später die Steuerrechnung kam, da war ich arbeitslos; ich ergatterte mir ein Teilpensum als «Dozent für Business English» an der FFHS (Fernfachhochschule, Brig), bis ich schliesslich beim «BLICK» landete, beim «BLICK»! Die Reaktionen! Was man betretenes Schweigen nennt. «Du siehst gar nicht aus wie so einer!»  

Gesucht wurde ein Redaktor für die Online-Ausgabe, Bewerber sollten nicht älter als 35 sein, ich war 53, damit spielte ich in meiner Bewerbung, als Self-made-Texter, ich wurde zum Gespräch eingeladen, und mit 53 Jahren und 141 Tagen unterschrieb ich meinen letzten Arbeitsvertrag in diesem Leben; das war meine Rettung, denn ohne wäre ich ein Sozialfall geworden, ich, der ich immer leidenschaftlich gearbeitet hatte, ich weiss nicht, ob ich das überlebt hätte … beim Online-Blick Boulevard kann Spass machen – wurde ich Experte für schwarze Schokolade, immer wieder musste ich neue Kreationen von Lindt&Sprüngli testen, zu welchem Zweck grosse Pakete vom anderen Ufer des Zürisees auf der Redaktion eintrafen, verderbliche Ware, die aber nie verdarb; weiter wurde ich Verfechter nachhaltiger Energie, vor allem von Solar-Energie, das hatte ich beim Holzbau gelernt.

Schliesslich machten sie mich, wieder wusste ich nicht, wie mir geschah, zum Präsidenten der Personalkommission Ringier Zürich und Romandie. Zzwar konnte ich mein Trauma der Entlassung beim Baumeisterverband verarbeiten, doch ich auf der einen Seite, Chefredaktion und Verlagsleitung auf der anderen, das gab schlaflose Nächte; und anders als bei den deutschen Betriebskommissionen sind die Mitglieder einer PKO nach schweizerischem Arbeitsrecht nicht vor Entlassung geschützt. Ich lernte. Dem Teufel die Hand geben, wenn ich etwas für einen Kollegen herausholen konnte. Anschliessend Klappe halten. Ich hatte nicht gewusst, dass Ringier eine der ersten Personalkommissionen in der Schweiz überhaupt unterhielt und wie ernst soziale Verantwortung genommen wurde. Der Sozialplan war seinerzeit «benchmark» der Branche …

Schon in Australien hatte ich mich als Reiseleiter versucht. Statt meine Textlein über die Kultur der Aborigines ins ferne Europa zu faxen, wobei ich immer den Verdacht hatte, davon würden höchstens die bemalten nackten Brüste Interesse wecken, mit denen der «Stern» meinen ersten und letzten Beitrag für dieses Magazin illustrierte, hatte ich die Idee, eine Reise zu konzipieren und Europäer nach Australien zu locken: «Kunst und Kultur der Aborigines». Dank John Dornbierers Reisebüro in Hinwil im Zürcher Oberland kam die Reise zustande, die  teuerste im Katalog, ich bekam ein Super-Honorar von 10’000 Franken, dann verkaufte John an Hotelplan; das war seine Altersvorsorge; meine blieb offen.

Das ist reine Lust: Menschen mitzunehmen auf eine Reise, mit ihnen zu teilen, was ich weiss. Unterdessen bin ich Reisebegleiter auf Safari in Tansania. Wieder wird ein Traum wahr: Nach dem 10.-Safari-Jubiläum als freier Reiseleiter bei der Aktivferien AG habe ich den Fallschirm genommen –  golden war er nicht – und bin seither im freien Fall. Mit meiner Partnerin Naomi, jambo!, und meinem Partner Victor, jambo!, – both truly black, born and raised in Tanzania –  bin ich als selbstständiger Safari-Anbieter in Tansania «unterwegs», das heisst: die «Corona-Pandemie» macht, dass wir mit unserer kleinen und sehr feinen Firma PISHON Tours&Safaris (((LINK)) etwas länger als geplant in den Startlöchern verharren müssen.

So gäbe es eigentlich Zeit, zusätzlich etwas Taschengeld zu verdienen, als Yoga-Instruktor in der «Schönsten Barockstadt der Schweiz» – unser Yoga-Lehrer Basu hatte uns dazu ermutigt –  und als Ritualbegleiter, zusammen mit meiner Ex-Theologin Regina, eher ihr Assistent; wir gestalten  Hochzeiten und Beerdigungen und Ferienwochen für Trauernde. Aber die Corona-Hysterie verhindert das derzeit.

Hakuna matata, kein Problem, ich habe mein «bedingungsloses Grundeinkommen», seit meinem vorzeitigen Abschied vom Haus Ringier vor bald sechs Jahren. Kämpfen nimmt ab, Lust wird mehr. Reine Lust, dieses Schreiben.

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Ich komme ins Plaudern, ich wollte am Anfang anfangen:

«Über mich» … Geboren am … langweilig! Witzig ist eher, dass ich in einem Städtchen geboren wurde, Brunsbüttelkoog, das es im Ortsnamenregister nicht mehr gibt, in einem Nicht-Ort, einem ού τόπος; kommt es von daher, dass es mir unbehaglich ist, wenn ich mein «Zuhause» an einem Ort fixieren soll? Lieber sind mir mehrere  Plätze, an die ich gern immer wieder zurückkehre, der Üetliberg, Zürich, der Uluru im Northern Territory, der Pazifikstrand an den Myall Lakes in New South Wales, wie ein Nomade, vielleicht weil eine meiner Grossmütter, eine Weinberg aus dem heutigen Litauen jüdisches Blut in den Adern hatte, die andere, eine Berlinerin, die Glut der Fahrenden; das heutige Brunsbüttel liegt im Kreis Dithmarschen, an der Elbmündung, «Liewer düd aß Slaawe», schworen die Friesen dort, vielleicht habe ich davon etwas abbekommen …

Oder ich könnte in Oetwil am See anfangen, im Kanton Zürich, das sich etwas anmassend so nennt, denn von dort ist höchstens der Greifensee zu sehen, nicht aber der noble Zürisee, dort, wo ich den Gemeindeschreiber mit meinem dreimaligen Wegzug nach Australien, samt dreimaliger Rückkehr, alles innerhalb von 1994 bis 1998, so verwirrte, dass er mich in seiner Verzweiflung, mich irgendwie verorten zu müssen, offiziell als «Weltenbummler» abstempelte. Worüber ich mich riesig freute.

Oder ich könnte bei meiner Familie anfangen, bei meinen sieben Halbgeschwistern, andere, richtige, habe ich meines Wissens nicht, gezeugt von zwei Männern und von, ich muss zählen, Peters Mutter, meiner Mutter (mit ihrem zweiten Ehemann zeugte sie Wolfgang und Susanne), Rosemaries Mutter, der Mutter von Michael Nr.2, der Mutter von Gustavo und Alessandra, also fünf Frauen, auf zwei Kontinenten, denn nachdem mein Vater sein Glück in Deutschland partout nicht finden sollte, versuchte er es in Brasilien – und kam dort offenbar ans Ziel seiner Sehnsucht; mit seiner Adele blieb er verheiratet, in Belo Horizonte, bis der Tod sie schied; 20 lange Jahre.

Oder ich könnte mit Gegenständen anfangen, die mir in meiner kleinen Wohnung Gesellschaft leisten:

etwa mit dem Didgeridoo, das mir mein alter Freund Bill Yidumduma Harney bemalt und geschenkt hat; Bill ist ein Aboriginal Elder; vor wenigen Jahren erst haben er und sein Wardaman-Volk ihr Land zurückbekommen; die australischen Behörden hatten es dem Sultan von Brunei für sein Cattle Business überlassen … als wir Bill 1993 mit unserer wenige Monate alten Tochter Alison Sydney besuchten, schaute er sie kurz an, dann sagte er spontan: «In Alison lebt eine Person weiter, die ihr sehr geliebt habt.» Was der Elder nicht wissen konnte: die Zwillingsschwester von Alisons Mutter hatte ihr Leben durch einen Verkehrsunfall verloren … Jetzt habe ich einen Deal mit Bill: er hat mir versprochen, er malt mir ein Bild, ich habe ihm versprochen, ich hole es ab; letztes Jahr habe ich meine Reise verschoben, ich hatte die Kraft nicht, jetzt zeigt mir die Sars-CoV-2-Episode: Aufschieben  in meinem Alter ist fahrlässig, und Bill ist rund 20 Jahre älter …

oder etwa mit dem, etwas zu kurzen, Ledergürtel, den ich in der Cummins Unit erwarb, 1990, als wir unsere damaligen Freunde in Little Rock besuchten; die Cummins Unit ist ein Hochsicherheitsgefängnis im US-Bundesstaat Arkansas, dessen Hinrichtungsgeschichte sich so zusammenfassen lässt: jahrzehntelang Hinrichtungen, 1967 Moratorium, 1973 Wiedereinführung, 1990 erste Hinrichtungen seit der Wiedereinführung; jetzt werden zwei Männer hingerichtet, die zunächst zum Tod verurteilt worden waren, deren Strafe dann in ««lebenslänglich» umgewandelt wurde, bis sie dann 1990, nach annähernd 20 Jahren Gefängnis, doch noch getötet wurden, amtlich bewilligt. Darüber wollte ich mit dem Gouverneur von Arkansas ein kritisches Interview führen, ich hatte Kontakt zu einem Journalisten, der ihn gut kannte. Doch ein Zeitungsartikel über den Sinn der Todesstrafe erschien dem Gouverneur als nicht opportun, denn der bereitete sich gerade auf seinen Wahlkampf vor, er wollte Präsident werden; Bill Clinton wurde gewählt, auch als «tough guy», der kein unnötiges Pardon kennt;

oder etwa mit einer der afrikanischen Masken, die ich auf meinen Reisen In Tansania ((LINK)) erworben habe, Souvenir-Masken, aber auch die «Punu Spirit»-Maske, die eine weite Reise hinter sich hatte, vom westafrikanischen Gabun, bis sich unsere Wege kreuzten, auf der Safari Lodge Gibb`s Farm im Hochland von Tansania. Die Tänzer, die auf Beerdigungen eine solche Maske tragen – so habe ich es verstanden –, repräsentieren nicht bloss die verstorbenen Vorfahren, sondern sie personifizieren sie! – und beschwören so die Einheit der «Lebenden» und der «Toten»; ähnlich wie bei den australischen Aborigines … 

Oder ich könnte mit Büchern anfangen, die ich gern griffbereit habe:

etwa mit «A history of the World in 100 objects» von Neil MacGregor, so wird unsere Menschen-Geschichte lebendig! – gleich das dritte Objekt eins der faszinierendsten des ganzen Buchs, ein Steinwerkzeug, knapp 1,5 Millionen Jahre alt, gefunden in der Olduvai-Schlucht in Tansania, südlich der Serengeti, ein Symbol dafür, was uns Menschen ausmacht: wie Neil mit seiner didaktischen Gabe so wunderbar erklärt, geht es nicht nur um das unvorstellbare Alter, das diesen Faustkeil zu einer der frühesten (erhaltenen) Schöpfungen überhaupt macht; sondern mehr noch darum, dass dieses Werkzeug solange bearbeitet wurde, bis es perfekt in der Hand lag, so, wie wir bis zum heutigen Tag einmal Erfundenes unaufhörlich weiterentwickeln, das «Handy» kann unterdessen einiges mehr als zu telefonieren; und dann fanden Neurologen heraus, dass die Hirnareale, die für die manuelle Fertigung des Werkzeugs aktiviert wurden, auch diejenigen sind, die beim Sprechen aktiv werden; Neils Schlussfolgerung: immer schon strebten wir Menschen danach weiterzukommen – und danach, uns mit Sprache darüber zu verständigen. Ein Quantensprung! So etwas zu erfahren, elektrisiert mich;

((WORK IN PROGRESS)) Oder mit Robert Betz, Wahrhaftig MANN SEIN, Osho, love, freedom, aloneness, Elizabeth Cowling, Picasso, Style and Meaning, Claude Lévi-Strauss, Mythologica (was ist uns Menschen gemeinsam?), Ernst Bloch, Das Prinzip Hoffnung, Robert Greene, Art of Seduction, Sogyal Rinpoche, Das Tibetische Buch vom Leben und vom Sterben, Edward de Bono, Laterales Denken, Werner Gaede, ABWEICHEN … VON DER NORM, Enzyklopädie kreativer Werbung, Daniel Leibowitz, THE IRONIC DEFENCE OF SOCRATES, Alexis Schwarzenbach, AUF DER SCHWELLE DES FREMDEN, DAS LEBEN DER ANNEMARIE SCHWARZENBACH; seitenweise hatte ich das Gefühl, als ob über mich geschrieben würde, das schwarze Schaf, Schande der Familie, der Schwierige, Eigensinnige, nicht zu Schubladisierende, einfach nicht normal …

PAUSE (20.04.20)

This Post Has One Comment

  1. Zurbuchen

    Lieber Michael

    Habe die Artikel über dein Reisebüro (viel Glück für den Aufbau !) und „über mich“ gelesen.

    E liebe Gruess, dein Nachbar chrigu zurbuchen

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